Die Sauce ist in der gehobenen Kochkunst, gemeinsam mit dem Fleisch oder dem Fisch des Hauptgangs, DAS eigentliche Highlight eines jeden Menüs. Durch seine besondere Verantwortung bei der Zubereitung der kostenintensivsten Produkte im Produktionsbetrieb einer Küche, eben des Fleisches und des Fisches, ist der Koch auf dem Posten des Saucier generell auch der Sous-Chef in einer Küchen-Brigade, also der stellvertretende oder 2.Küchenchef.
Die Art der Zubereitung von Saucen erlernte ich Mitte bis Ende der 80er Jahre im Stil der klassischen, französischen Küche. Kurz nach dem Ende meiner Ausbildungszeit, begannen die Stars unter den deutschen Köchen „Fonds“ statt Saucen zu servieren. Als ich damals mit einem Kollegen in einem der besten Restaurants von Bremen zum Abendessen war, bekamen wir einen solchen Fond zu unserem Hauptgang serviert. Die Kartoffeln waren hart, ließen sich kaum zerdrücken, das Fleisch war erstklassig zubereitet und die Sauce der Fond war eine … dünne Plörre suboptimale Brühe, die sich mangels Bindung und mit den zu harten Kartoffeln, kaum verspeisen ließ, weil sie nicht haftend von allem herab tropfte, was sie eigentlich sanft umschließen sollte! Zudem hatten mein Kollege und ich Angst, dass uns die Kartoffeln beim Zerteilen in dieser dünnen Suppe vom Teller flutschen könnten. Uns fehlte schlicht ein Löffel. Das Essen war kein Vergnügen! Genau S O sollte es für den Gast niemals sein…
Einige Male stritt ich mich danach mit meinem ehemaligen Ausbilder (ein hervorragender Koch, der selbst in Düsseldorfer Sterne-Restaurants der 70er Jahre gelernt und gekocht hatte!) darüber, wie sinnvoll der Umstieg auf solche Fonds sei. Er war der Meinung, man müsse mit dem Trend gehen. Ich vertrat hingegen die Ansicht, die hohe Qualität in Sachen Geschmack und Konsistenz der klassischen Sauce (KLICK), sei mit Fonds gar nicht zu erreichen. Das glaube ich bis heute!
Es mag sein, dass der ein oder andere Spitzenkoch einen Fond zubereiten kann, der mich begeistert. Dennoch denke ich, dass eine Sauce sämig sein und nicht wie eine klare Suppe kreuz und quer über den Teller schwappen sollte. Außerdem stört mich der extrem hohe Fettgehalt in diesen final zubereiteten Fond-Saucen, der meinen Magen in unangenehmer Weise spürbar belastet.
Weshalb wurde die klassisch zubereitete Sauce, leicht gebunden mit Mehl und abschließend reduziert, eigentlich durch Fonds ersetzt?
Ganz ehrlich: Bis heute habe ich keine Ahnung und ich habe sogar Google befragt und keinen Grund dafür gefunden! Es war wohl wirklich nur ein „Trend“, der sich zu diesem Zeitpunkt und bis heute durchgesetzt hat. Der einzige Kritikpunkt, den ich finden konnte, war die Bindung der Sauce mit Mehl, einem angeblichen Dickmacher. Dafür verwendet man bei den Fonds heute gerne zur abschließenden Reduktion Sahne und Creme Fraiche und montiert die Sauce am Ende auch noch mit einem Stück kalter Butter! Aha, das soll dann also gesünder sein, als die paar Gramm Mehl in der Sauce!!! Fett pur, sage ich da nur 😎 !!!
Meine Theorie geht in eine ganz andere Richtung. Wer schon einmal eine Demi-Glace angesetzt hat, also eine dunkle Bratensauce aus Knochen, die zunächst etwa eine Stunde sanft aber konstant in Öl geröstet werden, um Farbe und damit Röst- und Aromastoffe zu bekommen, der weiß, wie zeitaufwändig eine solche Sauce ist. Und damit nicht genug: Der erste Ansatz, die Espagnole, die dann mindestens drei bis vier Stunden gekocht haben sollte, um die ganze Kraft der Knochen heraus zu kochen, dient bei der Demi-Glace lediglich zum Auffüllen des zweiten Ansatzes, wobei wir dann, inklusive Vorbereitungen, bei lockeren 9-11 Stunden Arbeitszeit für die Zubereitung einer dunklen Sauce sind. Denken wir jetzt an den Personaleinsatz, schauen dabei auf auf die Lohnabrechnung des Sauciers, kann ich mir gut vorstellen, warum die Produktion von Fonds eingeführt wurde, die bei weitem weniger zeitintensiv anzusetzen sind, als die klassischen Saucen. Soweit meine persönliche Theorie!
Dass dieser Gedanke aber vielleicht gar nicht so falsch sein kann und die Herstellung dieser Fonds, aus meiner Sicht, mit Geschmack und Kunden-Ausrichtung weniger zu tun hat, bestätigten mir zahlreiche Kunden, die sich mir gegenüber mit
„…endlich mal wieder eine Sauce, die den Namen verdient!„
äußerten und gefreut haben, wenn sie meine Menüs serviert bekamen. So falsch scheine ich mit meiner, in diesem Bereich vielleicht als „konservative Art“ zu bezeichenden Kochweise, also gar nicht zu liegen! Und es freut mich sehr, dass meine aufwändigere Zubereitung von Saucen (generell ohne Tüte und Pulver!) eine solche Anerkennung findet.
Dabei muss eine vermutete „konservative Art“ bei der Zubereitung gar nicht negativ sein, wenn man es schafft, diese mit modernen Elementen der feinen Küche zu kombinieren und ich liege dabei anscheinend ganz gut. Zumindest erfahre ich dies durch das sehr positive Feedback, das ich von meinen Kunden erhalte.
Natürlich gibt es zahlreiche andere Möglichkeiten, eine Sauce zu binden (KLICK), als die mit Mehl, wobei die ekeligste Art wohl die ist, eine fein angesetzte Sauce mit Fertig-Kartoffel-Püree-Pulver zu binden, wie ich es in einigen Antworten auf Internet-Fragen als Ratschlag fand. Da wird mir dann wirklich übel 🙁 ! Wer stellt sich denn ernsthaft stundenlang in die Küche und verdirbt sich dann eine frisch zubereitete Sauce mit einem solchen Fertigprodukt???
Den zahlreichen Einträgen in Foren, die ich bei meiner Recherche zu diesem Artikel fand, dass die Mehlbindung zu einer klumpigen Sauce führen oder sie von der Konsistenz her grieselig werden und nach Mehl schmecken würde, muss ich an dieser Stelle widersprechen.
Klumpig kann eine Sauce dann werden, wenn ich beim Mehlieren der heißen Knochen eine heiße Flüssigkeit aufgieße. Ist diese Flüssigkeit kalt, ist auch die Wahrscheinlichkeit der Klümpchenbildung geringer.
Grieselig bzw. mit einem Mehlgeschmack versehen, kann die Sauce nur sein, wenn sie nach dem Mehlieren nicht mindestens noch einmal 20 Minuten gekocht hat. Nach dieser Zeit ist der Mehlgeschmack verschwunden.
Besonders hat mich ein Artikel gefreut, den ich letztens in einem Koch-Magazin lesen konnte, in dem gefragt wurde, WER denn heute noch „DIE“ klassische Saucen zubereiten könne? Zugleich wurde die Sehnsucht nach geschmacksintensiven, sämigen Saucen ausgesprochen. So etwas freut mich natürlich, sehe ich doch, dass ich mit meinen Ansichten wohl doch nicht so konservativ und allein bin, wie ich dachte und dass ich mir ein Wissen erhalten habe, das jetzt anscheinend nach und nach wieder gefragt sein wird. Wer von den jungen Köchen lernt auch schon noch diese Art des Saucenkochens?
Für mich ist das Herstellen einer klassischen Grundsauce auch eine Art „Erhalt der Koch-Kultur“! Temporäre Abschnitte bei der Zubereitung einer Sauce, wie ich sie kenne und wie ich sie praktiziere, bezeichnete mein Ausbilder unter anderem als „Pflege“ einer Sauce. Klar, ich kann die gerösteten Knochen auffüllen und den Saucen-Ansatz dann mit voller Hitze-Zugabe vor sich her „ballern“ lassen. Ich kann aber auch mit konstanter, sanfter Temperatur eine Sauce „leicht wallen“ lassen. Das Gefühl des Kochs beim Umgang mit den Lebensmitteln bei der Zubereitung, macht sich meiner Ansicht nach im Ergebnis und im Geschmack bemerkbar.
Deshalb finde ich auch, dass die Sauce, als Krone eines Gerichts, viel über die Zustände in einer Küche, den Ausbildungsstand eines Kochs oder die Investitionsbereitschaft des Geschäftsführers eines gastronomischen Betriebes aussagt. Qualität schmecken, genießen und fair honorieren zu wollen, das sind Charaktereigenschaften meiner Kunden, die ich in höchstem Maße zu schätzen weiß und über die ich mich mit jedem Auftrag auf’s Neue sehr freue!
Abschließend möchte ich noch auf einen Artikel in der FAZ hinweisen. Der Autor bespricht dort ein Kochbuch und es war mir eine Freude, einen Kollegen im Geiste, was die klassische Kochkunst angeht, zu finden 😉 (KLICK).
Und wie sehen Sie das? Sind Sie ein Fan von klassischen Saucen oder bevorzugen Sie die modernen Fonds? Nutzen Sie das Kommentarfeld, ich bin gespannt 🙂